Neuer Tag neuer Blogpost. In diesem Blogpost geht es um Musik – etwas, das mich seit ich ganz klein bin täglich begleitet. Nicht weil ich gerne Musik höre, sondern weil ich relativ musikalisch bin und auch seit mehr als 13 Jahren ein Instrument spiele. Nachdem ich wieder eine neue Erfahrung, was Musik und Gefühle angeht, gemacht habe und deshalb der Philosoph in mir ganz aktiv wurde, dachte ich, ich könnte meine Überlegungen mit euch teilen.

Lingua franca – was ist das? Mein Professor gab uns in der English Linguistics Vorlesung folgende Definition: „A lingua franca is a language that facilitates communication among people whose mother tongues are different“. Also eine Sprache, die die Kommunikation zweier oder mehrerer Personen, die eine unterschiedliche Sprache sprechen, erleichtert. Und was hat das mit Musik zu tun? Ich finde, dass diese Beschreibung zu 95 Prozent passend für Musik ist.

Schon oft habe ich mir gedacht, dass Musik (nicht Lieder mit Text, sondern Stücke) ein Kommunikationsmittel für Menschen ist, da dies eine „Sprache“ ist, die jeder versteht und somit Menschen verbindet. Insbesondere in den letzten zwei/drei Wochen wurde mir das immer mehr bewusst und bei meinem Konzert vor zwei Wochen bestätigte sich meine Vermutung wieder sehr. Obwohl das Orchester und der Chor verschiedene Noten spielten/sangen ergab das Ganze eine vollständige Botschaft in einer gewissen Art von Sprache, die an das Publikum gerichtet war. Das Publikum rezipierte diese Sprache und reagierte dementsprechend darauf: einige weinten, einige schluchzten, andere waren mitgenommen oder nachdenklich. Und nicht nur das Publikum, auch die Musiker fühlten diese Gefühle, die sich alle sehr ähnelten.

Für mich war das wieder einmal ein so überwältigendes Gefühl, wie Musikstücke Nachrichten überbringen können, sodass alle gleich fühlen und alle Beteiligten in einen Topf zusammengefasst werden können. Trotz langer Überlegungen und Diskussionen mit Gleichgesinnten kann ich mir noch immer nicht vollständig erklären wie das funktionieren kann, aber das Phänomen Lingua franca trifft hier, meiner Meinung nach, sehr gut zu und befriedigt meine Fragestellung im Großen und Ganzen: Alle in dem Saal/Dom verstanden diese besondere Art von Sprache und reagierten darauf genauso, als hätten wir Musiker ihnen „richtige Wörter und Sätze“ an den Kopf geworfen.

Mich faszinierte das so, dass ich mich mit ein paar Freunden darüber unterhielt wie so etwas zustande kommen könne. Wir verglichen die Komposition eines Stückes mit der Verfassung eines Textes: Phrasierungen, die aus einzelnen Noten bestehen, sind die Wörter, die zusammen eine Melodie, also den Text ergeben, der bestimmte Botschaften und Gefühle übermittelt. Der einzige Unterschied ist, dass die „Wörter“ erst erfunden werden müssen, damit die Botschaft einen Sinn ergibt und das ist auch das Komplizierte an dieser Art von Lingua franca. Nicht jeder versteht komplizierte Stücke, da die „Wörter“, die für die Kommunikation verwendet werden, jedes Mal anders sind und in jedem Stück in einem anderen Kontext verwendet werden. Alleine vier verschiedene Noten können 24 verschiedene Phrasen ergeben, also 24 voneinander unabhängige Wörter, die aber, im Unterschied zu „richtigen“ Wörtern in einem Stück immer eine Bedeutung haben.
Ein Beispiel: Nehme ich das Wort „HAUS“ her und verändere die Reihenfolge der Buchstaben zu z.B. „SUAH“, „HUSA“, oder auch „AUSH“, kann mit diesen neuen Wörtern nichts angefangen werden, weil sie schlichtweg nicht existieren und deshalb auch keine Bedeutung tragen. Im Falle von Wörtern, wie sie in der Musik verwendet werden, gibt es dieses Problem nicht, denn vier beliebig aneinandergereihte Noten ergeben jedes Mal einen Sinn, jedoch nur im Zusammenhang mit anderen „Wörtern“ und Phrasen.

Und das ist auch das Absurde: Eine Lingua franca sollte eigentlich, da sie die Kommunikation erleichtern sollte, eine eher einfache Sprache sein, so wie Englisch beispielsweise. Musik ist aber eine komplizierte Sprache, die nicht wirklich zu entziffern ist, aber trotzdem die meisten Menschen verstehen, ohne dass sie diese Lingua franca je erlernt haben. Sie vermittelt vor allem Gefühle und Stimmungen, aber teilweise auch kleine Botschaften, die zwar manchmal einer Eigeninterpretation bedürfen, aber großteils doch recht offensichtlich sind.
Ein weiterer Grund, der für eine Lingua franca spricht, ist, ist meiner Meinung nach, dass mit Stücken oftmals sogar auf die Lebensumstände von Komponisten zurückgeschlossen werden kann: schreibt jemand ausschließlich sehr unruhige, laute, komplizierte Werke, kann das schnell eine Indiz für ein turbulentes Privatleben seitens des Komponisten sein. Dieser schreibt über sein Leben nicht in einer richtigen Sprache, sondern in einer verschlüsselten, komplizierten Form, damit die Message zwar für jeden zugänglich, aber nicht zu hundert Prozent transparent ist. Einig wird sich trotzdem jeder sein, dass alle Stücke ähnlich unruhig sind und das auf die Natur des Komponisten zurückzuführen sein müsse.

Ganz im Reinen bin ich zwar mit dieser Erklärung auch noch nicht ganz, weil zwar jeder nach dem Hören eines Stückes dieselbe Stimmung aufweist, egal ob fröhlich oder mitgenommen und somit die Nachricht versteht, die übermittelt werden sollte; andererseits aber nicht jeder das Motiv eines Musikstückes versteht, was wiederum nicht vollständig auf eine Lingua franca zutreffen würde. Da die Lingua franca aber, laut Definition, ohnehin „nur“ eine Sprache ist, die die Kommunikation erleichtert, kann es sich trotz des Nicht-Erkennens der Motivation, sehr wohl um eine Lingua franca handeln.

Mich würde interessieren, wie ihr über dieses Thema denkt, da ich, wie ihr in den letzten Zeilen lesen konntet, noch immer etwas im Zwiespalt bin, ob Musik nun eine Lingua franca sein könnte oder nicht. Lasst mir dazu gerne eure Gedanken in den Kommentaren!
LISA

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